Körperklang Von Anna Stijohann (eine Kolumne aus Chorzeit - JULI/AUG 2022)

1657264529547Beim Singen bist Du das Instrument. Und zwar vom Scheitel bis zur Fußsohle. Je mehr von Dir mitschwingt, desto individueller und gleichzeitig müheloser ist der Klang. Die Stimme hat es leicht, wenn sie sich wirklich mit dem Körper verbindet.

Eine Möglichkeit, diese Verbindung zu finden, ist die Arbeit mit den Faszien. Aber was hat unser elastisches Bindegewebe mit dem Singen zu tun? Faszien sind entscheidend an der Aufrichtung unseres Körpers beteiligt. Sie sind damit wichtig für alles, was mit innerer Anlehnung, Atemtonbalance und vor allem unserer Schwingungsfähigkeit als Klangkörper zu tun hat. Außerdem funktioniert unser Körpersinn, also die innere Wahrnehmung aller körperlichen Aktivitäten, über die Faszien. Sie ermöglichen uns den spürenden Zugang zur Stimme - Faszienarbeit ist pure Instrumentenkunde.

Die Fascia Profunda - Dein Ganzkörpertaucheranzug- umschließt Dich wie eine elastische Hülle von Kopf bis Fuß. Strecke und dehne Dich mit der Vorstellung dieses Taucheranzugs. Räkeln Deluxe sozusagen. Die Stimme nimmst Du tönend dazu und kannst so spüren, wie sich der Klang beim Singen an den Körper anlehnt.

Faszien lieben Schütteln, Wippen, Schwingen und Schaukeln. Fügst Du dem Körper von außen Schwingung zu, hat er auch Lust, aus sich heraus zum Schwingen und Klingen zu kommen. SozienÜbungen-gerne auch in Kombination mit der Stimme-bringen Schwung in die Chorprobe und sorgen für gute Laune.

Körper und Stimmespürend zu erkunden, hilft Dir, Dein Instrument ganzkörperlich zu aktivieren. Sobald wir in einer Bewegung spürend anwesend sind, sind auch die Faszien aktiv beteiligt. Hast Du schon mal gesummt und dabei Deine Wirbelsäule in mikrokleinen Bewegungen mit der Stimme erforscht? Manchmal öffnet der Körper die Verbindung zur Stimme und manchmal umgekehrt.

Über verschiedene Faszienbahnen ist im Körperallesmit allem verbunden. Sie durchziehen den Körper von Kopf bis Fuß und verbinden beispielsweise Deine Hüftgelenke mit Zwerchfell und Kehlkopf. Stell Dir diese Verbindungen wie elastische Gummibänder vor und spür mal, wie Deine Stimme reagiert, wenn Du beim Singen wie ein Storch die Beine abwechselnd nach oben ziehst.

Faszienübungen im Choralltag können dem allgemeinen körperlichen Aufwärmen dienen oder das gewohnte Einsingprogramm erfrischend aufmischen. Auch das körperliche Experimentieren in Kombination mit konkreten Musikstücken tut nicht nur den Stimmen gut, sondern hilft, musikalische Zusammenhänge besser zu begreifen.

Und wenn dann der ganze Chor von der Fußsohle bis zu den Haarspitzen zu einem einzigen großen Klangkörper wird, springt der Funke auch bei den Zuhörerlnnen ganz sicher über. Auf die Faszien, fertig, los!

Anna Stijohann ist Sängerin, Gesangspädagogin und Chorleiterin aus Köln. Auf YouTube teilt sie ihre Lieblingsstimmübungen mit uns. 
www.stimmsinn.de